Juni 2015

Jede Woche lese ich die Kirchenzeitung der Diözese, in der meine Familie wohnt. Dabei spare ich die Leserbriefseite nicht aus, obwohl ich mir die Lektüre oft geradezu aufzwingen muss. Was Christenmenschen sich zuweilen an Lieblosigkeit und Borniertheit gegenseitig bescheinigen, ist zutiefst erschreckend.

Die kontinuierliche Lektüre über Jahre hinweg macht zudem überdeutlich, wie verherrend sich der Reformstau selbst sekundärer Problemfelder  in der Kirche auswirkt. Wenn nicht alles täuscht, beginnt die vor Jahrzehnten heftig geführte Debatte und die „Handkommunioion” von neuem.

In besonderem Maße bedenklich finde ich, dass jede Ausgabe besagter Zeitschrift voll ist von Berichten über „pastorale” Konzepte. Dabei geht fast völlig unter, dass „Pastoral” nur einen Sinn hat, wenn sie mit „Theologie” einhergeht. Diese aber tritt völlig in den Hintergrund.
Alfred Delp sah diesen Zustand nerannahen. Er sprach seine Sorge offen aus und erfuhr heftige Kritik.

Die Worte in einem kurzen Text, seinem „Vermächtnis” zum Thema Kirche, gelten heute mehr denn Je:
„Die christliche Idee ist keine der führenden und gestaltenden Ideen dieses Jahrhunderts. Immer noch liegt der ausgeplünderte Mensch am Weg. Soll der Fremdling ihn noch einmal aufheben? Man muss, glaube ich, den Satz sehr ernst nehmen: was gegenwärtig die Kirche beunruhigt und bedrängt, ist der Mensch. Der Mensch außen, zu dem wir keinen Weg mehr haben und der uns nicht mehr glaubt. Und der Mensch innen [in der Kirche], der sich selbst nicht glaubt, weil er zu wenig Liebe erlebt und gelebt hat.  Man soll deshalb keine großen Reformreden halten und großen Reformprogramme entwerfen, sondern sich an die Bildung der christlichen Persönlichkeit begeben und zugleich sich rüsten, der ungeheuren Not des Menschen helfend und heilend zu begegnen.”     

(Ges. Schr. Bd. IV S. 321 f.)