Einem Anwärter für den Ordenseintritt wird beim Aufnahmeakt ein Rosenkranz überreicht, der ihn im Idealfall sein Leben hindurch begleitet. Viktor von Gostomski, inhaftiert wegen des Verteilens gegen Hitler gerichteter Flugblätter in Chemnitz, war in der Justizvollzugsanstalt Berlin-Plötzensee Kalfaktor des katholischen Gefängnisseelsorgers Peter Buchholz; von diesem war er unmittelbar nach Delps Hinrichtung am 2. Februar 1945 beauftragt worden, in der Zelle, in der der Jesuit dem Gang zum Galgen entgegen sah, dessen Hinterlassenschaft zu sichern. Gostmoski fand eine zerbrochene Brille, ein Exemplar der „Nachfolge Christi“ des Thomas von Kempen und – diesen Rosenkranz.
Delp hat sich selten zum Rosenkranzgebet geäußert. Bekannt ist, dass er als Seelsorger Besucher, die ihn in persönlichen Nöten um ein Gespräch baten, am Ende oft dazu einlud, mit ihm gemeinsam ein Gesätz des Rosenkranzes zu beten. Seine theologische Sicht dieser im Mittelalter geborenen Frömmigkeitsform legt er dar im Rahmen seiner in der Haft niedergeschriebenen Gedanken zur Herz-Jesu-Litanei. Er ordnet sie ein in seine durch und durch adventlich bestimmte Spiritualität: Er bedenkt – gemeinsam mit Maria – das Kommen des Gottessohnes in die Welt und seinen irdischen Weg in Solidarität mit dem Menschen und der gesamten Schöpfung bis in die letzte Not des Daseins. Die Führung durch die Mutter Jesu soll uns helfen, unserer eigenen Unfähigkeit, die Tiefe des göttlichen Tuns um des Menschen willen auszuloten, ein wenig aufzuhelfen. Aus diesem Ansatz heraus ist im Mittelalter die Rosenkranzfrömmigkeit im Kontext einer allmählich sich entwickelnden Laienspiritualität entstanden.
Delps „letzter Begleiter“ kam über Gostomski und den Gefängnispfarrer an eine Berliner Frauengruppe, die Delps Haft mit praktischer Hilfe und Gebet begleitet hatte, und von dort über Münchner Freunde und die Familie Kreuser aus Delps Pfarrei Heilg Blut an seine Mutter, die während der Haft ihres Sohnes bei dieser Familie zu Gast war. Als Karl Adolf Kreuser, Delps Schüler, in den Jesuitenorden eintrat, schenkte Frau Delp dem jungen Jesuiten den Rosenkranz. Heute hütet das Archiv diesen Schatz. Möge der Gedanke an seine Geschichte und Spiritualität dem Leser Anlass zu Zuversicht im Glauben sein.