September / Oktober 2016

Ernst Barlach, Fries der Lauschenden (1935)
Ernst Barlach Haus Hamburg; Foto: Ernst Barlach Lizenzverwaltung Ratzeburg

Ernst Barlachs „Fries der Lauschenden“ ist ein stummer Protest gegen jene, deren Parolen andere Stimmen überdröhnen und vielen Menschen das Gefühl geben, hier wisse jemand, was richtig, bzw. falsch ist, und sie so der Mühe eigenen Nachdenkens entheben.
Die Figuren von links (in Klammern das Jahr der Fertigstellung):
Der Empfindsame (1935)
Der Gläubige (1934)
Die Erwartende (1935)
Der Blinde (1935)
Die Tänzerin (/1931)
Der Wanderer (1930)
Die Träumende (1931)
Der Begnadete (1935)
Die Pilgerin (1931)

Empfindsam sein, etwas/jemanden erwarten, unterwegs sein, träumen ... – all diese Lebensäußerungen und Befindlichkeiten sind auf je besondere Weise verbunden mit dem „Lauschen“. 
Eine, die „erwartet“, lauscht etwa darauf, ob die Schritte des Geliebten schon zu hören sind; der Blinde ist in besonderer Weise darauf angewiesen, sein Gehör zu schulen, und hat deshalb gelernt, auf diese Weise Dinge zu registrieren, die andere nicht wahrnehmen können; der Wanderer – trifft ihn nicht, wenn er sein Ziel erreicht hat, der Ruf, aufzubrechen nach neuen Ufern? Der Begnadete erfährt, dass Glück und Sinn nicht Ergebnis eigener Anstrengung sind, sondern Geschenk.
Im Lauschen, im Offen-Sein für den/das Andere ist der Mensch ganz bei sich selbst. Leben als Gabe aber drängt auf Weitergabe, verwirklicht sich im Dialog, lädt also ein zum „Lauschen“.
Diese Erkenntnis steht im Zentrum von Delps philosophischem Denken. Er weiß: Der Verzicht auf Fragen, Suchen, Lauschen bringt „den Menschen ab von seiner Höhe, er ermöglicht die unmenschliche Erscheinung der Masse, der Herde, des getriebenen und verführten Menschen, des ewigen Objektes fremder Entscheidungen und Vergewaltigungen. Es bleibt der Mensch, der von sich und seinen Weiten und Größen keine Ahnung hat und schließlich doch nur eine Karikatur, einen Restbestand des eigentlichen Menschen darstellt.“

(Aus: Der Mensch vor sich selbst. In: Ges. Schr. Bd. II S. 491 f)